Zdravko Zupan

Die Geschichte der Comics in Serbien 1955-1972: Ein Auf und Ab

Übersetzung Vesna Mors, Redaktion Ralf Palandt
(Images soon to come)

 

Ende der 1950er Jahre veränderten neue Gesetze der Jugoslawischen Regierung die Situation im Verlagswesen. Private Initiativen wurden wieder möglich, nachdem sie in der rigiden Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg unterbunden worden waren. In Belgrad startete 1958 das beliebte Comic-Magazin Meteor der Herausgeber Dragi Nedeljkovic, Roksanda Milutinovic und Vujica Ristic. Chefredakteur Nedeljkovic steuerte als Autor auch einige Geschichten bei.

Zika Strip – der Boheme-Comiczeichner

1959 zeichnete und veröffentlichte Zivojin Zika Todorovic, auch bekannt als Zika Strip, in Zusammenarbeit mit Mara Ratic, seine ersten eigenen Science Fiction-Comics, wie z.B. Dirigovana planeta (Der ferngelenkte Planet) und das Magazin Raketa (Rakete). Todorovic war ein Bohemien und leidenschaftlicher Glückspieler, der über dem Filmtheater Zvezda wohnte. Er inspirierte viele Dichter und Schriftsteller, die über seinen ungewöhnlichen Lebenswandel schrieben. 

Comics und Militär

In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre hatten Comics bereits alle Arten von Publikationen erobert: Tageszeitungen und Wochenmagazine, Sport- , Kinder-, Witz- und sogar Militärzeitschriften. Letztere brachten Geschichten, die auf örtlichen Ereignissen während des Zweiten Weltkrieges basierten.

Die Militärzeitung Narodna armija (Volksarmee) schrieb 1956 einen Comic-Wettbewerb zu folgenden Themen aus:

-     Zweiter Weltkrieg bzw. Befreiungskrieg

-     Landesgeschichte

-     Aktuelles Alltagsleben der Soldaten

Trotz sehr hoher Geldpreise gab es nur 22 Einsendungen (10 Comics, 12 Skripts).

Vom Kampf der kommunistischen Widerstandskämpfer im Zweiten Weltkrieg handelten auch die Fotocomics von Sasa Bizetic. Von 1955 bis 1968 setzte er als Pionier der jugoslawischen Fotocomics 23 Geschichten um. „Als ich anfing Fotocomics zu machen“ so Bizetic, „war ich davon überzeugt, dass das meine eigene Erfindung war. Ich hatte keine Ahnung davon, dass es in Frankreich und Italien schon eine Comicindustrie gab, die Fotocomics produzierte“. Bizetic trat dabei quasi als Ein-Mann-Unternehmen für Skript, Regie der Inszenierung vor der Kamera, gute Fotos, Montage, Kostüme usw. auf. Sein erfolgreichster Fotocomic handelte von der Kindheit des Genossen Tito und kam auf 10 Auflagen. Tom Sawyer und Huckleberry Finn, sein letzter Fotocomic, wurde zwar von dem Verlag Mladost (Zagreb/Kroatien) gekauft, aber nie veröffentlicht. Bizetic resignierte 1968 und hörte auf Fotocomics zu machen.

Decje novine und Veseli zabavnik

Rückblickend war 1957 das wichtigste Jahr für Comics in Serbien. Zu Jahresbeginn kam in der kleinen Stadt Gornji Milanovac, mitten in Serbien, die erste Ausgabe des Magazins Decje novine (Kinderzeitung) heraus. Die Schülerzeitung mit großem Comic-Anteil, von Schülern gemacht und den Lehrern Srecko Jovanovic and Aleksandar Lazarevic betreut, hatte eine Startauflage von 1.000 Exemplaren und trat eine Entwicklung los, an deren Ende einer der wichtigsten und größten Comic-Verlage stehen sollte. Es gibt keinen serbischen Comiczeichner, der nicht auch von diesem Verlag veröffentlicht worden wäre.

Auch in Belgrad wurden neue Comic-Magazine aus der Taufe gehoben:

Aleksandar J. Ivkovic, der damalige Herausgeber des legendären Comic-Magazins Mika Mish, führte seine Comic-Aktivitäten mit dem Heft Veseli zabavnik weiter. Er präsentierte Nachdrucke aus den „goldenen“ 1930er Jahren und stellte viele französische Comics vor, wie z.B. Les Pieds Nickeleds. Auch bot er neuen Zeichnern ein Forum, u.a. Jovan Stojanovic alias John Radley (amerikanisch-klingende Namen hoben die Lesergunst), Ludvig Fiser (Ludwig Fischer, der später u.a. als Fix und Foxi-Zeichner auch in Deutschland bekannt wurde) und Dragan Kalmarevic. Beliebte Serien waren Bufalo Bil von Fred Meagher, Robin Hud von Jesus Blasco, Kevin neustrasivi von Kreigh Collins und Deca vasione von Odcar Lebeck und Al McWiliams. Ivkovic hatte sich nach dem Krieg sehr um eine neue Comic-Produktion bemüht. Doch dass er auf Grund der neuen Herrschaftsordnung keinen eigenen Verlag mehr besitzen durfte, war ein großes Problem gewesen. Er hatte die herausragend guten Zeichner nicht mehr entsprechend bezahlen und halten können. Sie waren zu den Tages und Wochenzeitungen gewechselt, die höhere Löhne zahlten.

Nachdem die Sowjetunion 1957 die Hündin Laika ins All geschossen hatte, sollte jetzt ein Comic-Magazin diesen Namen tragen. Der Titelzug und das Logo waren schon fertig, da verbot die politische Führung Jugoslawiens aus antisowjetischer Haltung heraus diesen Titel. So musste über Nacht ein Ersatztitel gefunden werden. Die Wahl fiel auf Kekec, den Namen eines Bergjungen aus slowenischen Filmen. Die erste Ausgabe erschien am 26. Dezember 1957 in zwei Versionen, nämlich in kyrillischer und lateinischer Schrift. Es gab sogar eine Extraausgabe für die ungarische Minderheit in ihrer Sprache. Die Auflage wuchs schon nach kurzer Zeit auf 300.000 Exemplare an. Es wurden vor allem frankobelgische Comics abgedruckt, wie von Raymond Macherot (Pukovnik Klifton/Colonel Clifton, Beli konjanik/Chevalier Blanc), Jije (Dzeri Spring/Jerry Spring), Morris (Talicni Tom/Lucky Luke), Peyo (Strumfovi/Schlümpfe), Funcken, Coelho, Monzon (Capu i Gru-Gru/Cha'pa et Group-Group) und André Franquin (Acu i Macu/Mausi und Paul). Die Texte übersetzte Dusko Radovic, ein prominenter serbischer Dichter. An einheimischen Zeichnern sind vor allem Jesa Milanovic, Aleksandar Grbic, Ivo Petkovic, Dragan Savic, Slobodan Milic und Slobodan Stanisic, Jelko Petrnelj, Andrija Maurovic, Rudi Aljinovic, Radivoj Bogicevic, Ratomir Petrovic Raca, Askanio Popovic, Dusan Reljic, Zdravko Zupan, Dragan Bosnic und Slobodan Ivkov zu nennen. Die letzte Ausgabe Nr. 1532 kam 1990 heraus.

Politikin Zabavnik (Unterhaltung der Zeitung Politika), einst in den 1930er Jahren ins Leben gerufen, wurde wieder belebt und zum Hauptkonkurrenten von Kekec. Allerdings brachte das Comic-Magazin in erster Linie amerikanische Comics. Politikin Zabavnik erscheint noch heute. Auch das Wochenmagazin Illustrovana politika (Die Illustrierte der Zeitung Politika) veröffentlichte ab 1958 Comics. Darunter die Serie Mumin der schwedisch-finnischen Schriftstellerin und Zeichnerin Tove Jansson. Doch die Mumins - Trolle, die in den Wäldern des Nordens leben - gefielen vom Aussehen her nicht allen Lesern. Es kam zu einer Leserabstimmung, die mit einem Unentschieden endete (118 Leserbriefe für und 118 Leserbriefe gegen Mumin) ... die Mumins blieben.

Neue Trends im Verlagswesen

Während die 1950er Jahre durch den Versuch gekennzeichnet sind die Comic-Produktion wieder zu beleben und einen Markt zu schaffen, stehen die 1960er Jahre für eine Blüte des Funny-Comics, die Wiedereinführung des realistischen Comics und es kam auch zu neuen Tendenzen. Neue Hefte wurden gegründet, die einer ganzen Generation wichtig sein sollten, wie Nikad robom (Niemals Sklave), Nasmejane novine (Lächelnde Zeitung), Crtana skola (gezeichnete Schule), Kuriri (Die Kuriere), Yu strip (Comics Jugoslawiens) und Profil.

Am Anfang der 1960er Jahren kamen viele Funny-Comics heraus, die durch lustige Fernsehserien inspiriert waren und die positivere Stimmung im Lande auf Grund der sich verbesserten wirtschaftlichen Situation wiederspiegelten. Diesen Trend hatte das Witzblatt Jez (Igel) gestartet. Die meisten serbischen Comics wurden jedoch in Nasmejane novine und Mali jez (Kleiner Igel) veröffentlicht.

Die einheimischen Künstler zeichneten in den verschiedensten Stilen und deckten alle Genres ab: Aleksandar Hecl setzte Abenteuer-, Science Fiction- und historische Geschichten um. Partisanen-Geschichten aus dem Zweiten Weltkrieg wurden von Ivica Koljanin, Ivo Kusanic, Mihailo Habul, Danilo Grujic, Dragan Savic, Sasa Misic und vielen anderen geliefert. Es gab sogar pädagogische Comics von Marko Krsmanovic und dem bekannten Maler Ljubica Cuca Sokic.

Neben den Magazinen mit Comic-Anteilen wurden auch viele reine Comic-Hefte gedruckt, wie Stripovani romani (Comicroman), Crtani romani (gezeichneter Roman), Nikad robom und Bibliotheka Lale (Die Reihe von Lale).

Bibliotheka Lale wurde 1964 vom Verlag Decje novine ins Leben gerufen und brachte vor allem ausländische Comics (Marvel-Superhelden, Tarzan, etc.). Das Heft konnte sich bis 1972 halten.

Nikad robom war eines der erfolgreichsten Hefte, ebenfalls herausgegeben vom Verlag Decije novine. Eine der Serien handelte von den Partisanenjungen Mirko und Slavko, die mit viel Mut und Raffinesse gegen die deutschen Faschisten kämpften. Die Serie wurde von einem Team Texter und Zeichner gemacht, die sich an bestimmte Richtlinien zu halten hatten, wie, dass die beiden nur gegen Nazis und Wehrmachtsangehörige vorgehen durften, während Kollaborateure tabu waren. Wie der Zeichner Srecko Jovanovic erzählte, wurde vom Verlag aus darauf geachtet, dass im Team Mitarbeiter aus allen Teilen Jugoslawiens vertreten waren. So waren zwei Zeichner aus Mazedonien, zwei aus Kroatien und einer aus Slowenien dabei. Auf Grund des Erfolges dieser Serie wurde das Heft ab dem 4. April 1969 in Mirko i Slavko umbenannt. Die Auflagen erreichten in den frühen 1970er Jahren 200.000 Exemplare und die beiden jungen Partisanenkämpfer wurden zu Pop-Stars. 1973 folgte sogar ein Realfilm. Doch je mehr produziert wurde, desto schlechter wurde die Qualität ... die Serie wurde 1979 eingestellt.

Die goldenen 1960er Jahre

Mitte der 1960er Jahre erschienen mehrere neue Comics, darunter Zenit, Pingvin , Strip magazin und Panorama. Sie brachten britische, amerikanische  und frankobelgische Serien, gemischt mit Arbeiten einheimischer Künstler. Panorama, in der serbischen Stadt Novi Sad vom Verlag Forum herausgegeben, entwickelte sich in den frühen 1970er Jahren zum beliebtesten Comic-Magazin Serbiens: Stripoteka (Comicbibliothek).

Als Fernsehserien wie Bonanza, The Saint (Simon Templar) und 87th Precinct (Polizeirevier 87) auf die Mattscheibe kamen, nahmen sich die Comic-Magazine und einheimi-schen Zeichner der populären Seifenopern und Sitcoms an. So zeichnete Paja Stankovic für die Tageszeitung Politika die Serie Ben Kvik, seine eigene Comic-Version der amerikanischen TV-Serie The long hot Summer (die TV-Serie war so populär in Seriben, dass der Hauptdarsteller Roy Thinnes nach Belgrad zu Besuch kam).

Lizenzausgaben

Die Lockerung der ideologischen Umklammerung ermöglichte auch die erste Lizenzausgabe. Der Verlag Decje novine wurde am 27. Oktober 1966 Mitglied der großen, welt-weiten Disney-Familie. An diesem Tag erschien die erste Ausgabe des jugoslawischen Disney-Magazins Miki in Lizenz - ausgestattet mit einem Grußschreiben Walt Disneys, in dem er berichtete, er habe persönlich den Inhalt geprüft und abgesegnet. Ein Redakteur von Decje novine, der für Verhandlungen in den USA gewesen war, erzählte, die Amerikaner hätten sie zwar herzlich begrüßt, ansonsten aber mit komischen Blicken angeschaut, als ob Serben von einem anderen Planeten kommen würden. Das Heft hatte einen treuen Leserstamm und kam in lateinischer wie auch kyrillischer Schrift heraus. Dazu gab es viele weitere Lizenzprodukte, wie Poster, T-Shirts, Schulhefte, Postkarten, Aufkleber uvm. Miki gab es bis September 1974.

Nikola Lekic, der Herausgeber der populären Zeitschrift Politikin zabavnik, hatte die Idee für eine neue, einheimische Funny-Figur namens Dikan. Dessen Abenteuer spielten zwar im mittelalterlichen Serbien, aber sie waren voller Zitate und Anspielungen auf Prominente aus Presse, Film und Fernsehen der 1960er und 1970er Jahre. Die lustigen Geschichten zeichnete Lazar Sredanovic.

Neues Gesetz gegen Schund

Das Gesetz aus den 1960er Jahren, das das Pressewesen und die anderen Formen der Informationsverbreitung regelte, blieb nur bis 1971 bestehen. Im Herbst dieses Jahres fand in der Stadt Kragujevac ein kulturpolitischer Kongress statt, der sich gegen Schundliteratur richtete. Während der Tagung wurden Comics, Romane und was immer man unter Schund  verstand, öffentlich verbrannt. Außerdem wurde ein neues Presse-Gesetz auf den Weg gebracht, das ab 1971 jede Form der gedruckten Literatur mit zusätzlichen 31,5 % Steuern belegte. Es gab nur eine Ausnahme, nämlich kulturell besonders wertvolle Literatur. Wer in den Genuss dieser Freistellung kommen durfte, entschied eine staatliche Kommission.

Diese künstliche Produktionsverteuerung bedeutete für viele Comic-Magazine das Aus. Im August 1972 musste auch Bibliotheka Lale aufgeben und schrieb in der letzten Ausgabe: „Liebe Leser, da diese neue Steuer unseren Verlag in eine nicht mehr wettbewerbsfähige Lage gebracht hat, ist es uns unmöglich unsere Comics rechtzeitig für euch Leser herauszubringen, insbesondere Pony, Karavan (Karawane), Karavan Ekstra, Lale, Apolo, Krimi, Herc (Herz), Tarzan und Super Tarzan. Deswegen haben wir die Entscheidung getroffen, dieses Blatt einzustellen, obwohl wir zutiefst davon überzeugt sind, das hier eine nützliche Unterhaltung geboten wird, die nichts beinhaltet, was nicht mit den Wertvorstellungen unserer Gesellschaft konform gehen würde.“

Das Gesetz gegen Schundliteratur fügte dem serbischen Comic sehr großen Schaden zu. Viele Zeichenschulen wurden aufgelöst und einige Zeichner arbeiteten nicht mehr für die einheimische Presse, sondern für ausländische Auftragsgeber. Andere Zeichner entdeckten den nichtkommerziellen Autorencomic für sich. Diese Entwicklung führte dazu, dass der Einfluss der ausländischen Comics größer wurde, zumal sie auch für die Verlage billiger zu haben waren.

На Растку објављено: 2007-11-23
Датум последње измене: 2007-11-23 18:41:57
Спонзор хостинга
"Растко" препоручује

IN4S Portal

Плаћени огласи

"Растко" препоручује