Zdravko Zupan

Die Geschichte der Comics in Serbien 1941-1945: Während des Zweiten Weltkrieges

Übersetzung Vesna Mors, Redaktion Ralf Palandt
(Images soon to come)

 

Die Bombardierung Belgrads 1941 und der folgende Aprilkrieg mit der Eroberung und Besetzung Jugoslawiens durch Wehrmacht, SS und Nationalsozialisten beendete die Blüte der serbischen Comics. Alle zuvor existierenden Comicblätter, wie auch viele andere Zeitungen und Zeitschriften, erschienen nicht mehr. Ein Grund war u.a. die „Vorschrift über die Presse“, die der Deutsche Militärbefehlshaber Serbien am 20. Mai 1941 erließ. Alles was gedruckt werden sollte, unterlag der Zensur der Propagandaabteilung Südost des Militärbefehlshabers Serbien.

Comics unter faschistischer Besatzung

Daher sorgte eine Anzeige in der Novo Vreme (Neue Zeit) Mitte September 1941 für großes Erstaunen: Alle Comiczeichner wurden aufgerufen, Arbeitsproben an die Redaktion des Wochenmagazins Dom i Svet (Heim und Welt) zu schicken. Beide Blätter erschienen im Verlag Srpsko izdavacko preduzece (Serbische Veröffentlichungsgesellschaft), entstanden durch die Vereinigung der größten Belgrader Herausgeber von Politika, Vreme und Pravda

Dom i Svet druckte auf der letzten farbigen Seite Comics. Darunter Dozivljaji malog Kuku Kokosa (Die Abenteuer des kleinen Kuku Kokos)  von Ferdinand Bis, einem Maler aus Kroatien. Kuku Kokos war ein kleiner schwarzer Junge, dessen Geschichten und Pointen sich an Walt Disneys Klein Adlerauge-Comics anlehnten. Veljko Kockar steuert Funny-Comics rund um seine Figur Bata, einem sympathischen Kaktus, bei. Slavko Janic (Janevski) lieferte Bila jednom buba jedna (Es war einmal ein Käfer), Slobodan Bogojevic Puzic Pule (Schneckchen Pule) und Radomir Perica Til Ojlenspigel (Till Eulenspiegel).

Dom i Svet wurde Ende 1941 eingestellt und ab Januar 1942 durch Kolo (Reigen) ersetzt. Hier lief vom 19. September bis zum 7. November die Serie Biberce (Pfefferkörnchen) von Djordje Lobacev. Die Gesamtgeschichte erschien im Jahr darauf als Sonderheft im Verlag des Buchhandels Jaksic. Milovan R. Jaksic war früher ein populärer Fußballtorhüter gewesen. Er gab auch das Heft Avanture barona Minhauzena (Die Abenteuer des Baron Münchhausens) heraus, eine Neuauflage des Comics, den Djordje Lobacev vor dem Krieg in Fortsetzungen für Politikas Kinderbeilage gezeichnet hatte.

Schließlich gab es 1941 auch auf den Seiten der Novo Vreme Comics: Misa fakir i Voja pereca (Maus, der Fakir, und Voja, die Bretze) von Vlasta Belkic und danach Dovitljivost malog Mice (Der schlaue Mica - inspiriert durch Bud Fishers Mutt & Jeff). Im sonntäglichen Extrateil Za nasu decu (Für unsere Kinder) der Tageszeitung war Vladimir Zhedrinski mit mehreren Comics vertreten (Knjiga Ciri vidik siri/Bücher erweitern Ciras Horizont, Kako Dostan cuva bostan/Wie Dostan das Wassermelonenbeet hütet), deren gereimter Text unter den Bildern zu lesen war. Brana Cvetkovic führte seine Figur (Jäger Cira) aus der Vorkriegszeit wieder ein. Und auch Arbeiten von Wilhelm Busch wurden veröffentlicht.

Nach einer mehrmonatigen Pause erschien am 8. Oktober 1941 plötzlich die 505. Ausgabe des bekanntesten und beliebtesten Vorkriegs-Comicheftes Mika Mish. Offensichtlich hatte Herausgeber Aleksandar J. Ivkovic eine schon lange vorbereitete Ausgabe mit einem aktuellerem Datum versehen, denn im Inneren des Heftes lauteten alle Daten auf April. Doch als ein Magazin mit überwiegend amerikanischen Serien (Tarzan, Phantom, Mandrake der Magier usw.) wurde es sofort durch die neuen Machthaber gestoppt.

Milija S. Todorovic, der Besitzer des Verlages Mladost (Jugend), hatte mehr Erfolg mit seiner Zeitschrift Strip knjiga (Comicbuch) ab Sommer 1942. Der Verleger und Comicautor versammelte eine Gruppe junger, talentierter Zeichner um sich, die bekannte Märchen, historische und lustige Geschichten kürzeren Umfangs als Comics zeichneten:

-          Radomir Perica (Gusarska rapsodija/Piratenrhapsodie, Til Ojlenspigel/Till Eulenspiegel, Dozivljaji Djure Pacova/Abenteuer der Ratte Djura, Ivica i Marica/Hänsel und Gretel, Poslednj dani Pompeje/Die Letzten Tage Pompeis, Princ i azdaja/Der Prinz und der Drache)

-          Slavko Janic (Price starog zamka/Geschichte der alten Festung, Don Kihot/Don Quijote, Vitez Brana i kraljica Mara/Ritter Brana und Königin Mara, Parodije i crtane melodije/Parodien und gezeichnete Melodien, Vitez kovac/Ritter Schmied, Kraljevic Marko i Orao /Königssohn Marko und der Adler, Dedal i Ikar /Dädalus und Ikarus“, inspiriert von Schwabs Price iz klasicne starine/Sagen des klassischen Altertums)

-          Dragan Savic (Pravi put/Der richtige Weg, Dva brata/Zwei Brüder, Vatra/Feuer)

-          Veljko Kockar (Raja i Gaja/Raja und Gaja - die Abenteuer zweier Landstreicher und Pechvögel, Kaktus Bata, Carobni prsten/Der Zauberring, Zlatan cvet/Die goldene Blume, Borba u prasumi/Kämpfe im Urwald - mit den deutschen Abenteurern Otto und Erik als Helden)

Im Laufe der Besatzung erschien auch das Witzblatt Bodljikavo prase (Stachelschwein) des Herausgebers Svetomir Stojanovic. Am häufigsten wurden Lopov Aca i revnosni zaca (Aca, der Dieb, und der fleißige Polizist) und Ravajlovi dozivljaji (Ravajlos Abenteuer) abgedruckt - Comicstrips vorwiegend ohne Wörter, umgesetzt von Slobodan Bogojevic, Karlo Napravnik und Vlada Savic.

Propaganda-Abteilung Süd-Ost

Die Zensur der Presse und die Propaganda wurden durch die Propaganda-Abteilung Süd-Ost der deutschen Besatzungsmacht ausgeführt. Die Dienststelle fungierte auch als Verlag Süd-Ost, der 1942 mehrere Bücher herausgab, u.a. mit Arbeiten von Wilhelm Busch.

Das war die Gelegenheit für einen Zeitgenossen gegen US-Comics zu polemisieren: „Vor der Überflutung durch amerikanische Comics hatte unsere Jugend eine gesunde Jugendliteratur gehabt. Jova Jovanovitsch Zmaj und Wilhelm Busch haben den Kindern pädagogisch-wertvolle Unterhaltung gegeben: fröhliche Abenteuer, Lieder, Gedichte über Vögel und Märchen mit Tieren. Jetzt aber verderben Comics den Geschmack unserer Kinder. Kriminalgeschichten mit Gangstern und Elektrischen Stühlen, Abenteuer verlogener Leute, mysteriöse Länder in der Ferne mit Bildern von Räumen, in denen Opium geraucht und Handel mit weißen Sklavinnen betrieben wird, sind an die Stelle von diesen wunderbaren und unschuldigen Geschichten getreten, an die Stelle der Lyrik echter Künstler, die ihre Werke den zarten Kinderseelen widmeten. Jetzt kommen wir wieder zurück zur einzig wahren Kinderliteratur. Hier steht Busch an erster Stelle. Busch ist zwar der Urvater des modernen Comics, aber eines künstlerischen, menschlichen, angemessenen und taktvollen Comics für Kinder. Buschs Figuren sind weder Gangster noch G-Men, sondern gutherzige, scherzende, lustige Zeitgenossen. Sie können nur Fröhlichkeit und Mitgefühl wecken, nicht Furcht und Rachegelüste.“

Der Exilrusse Konstantin Konstantinovic Kuznjecov war Leiter der Kunstabteilung Süd-Ost und realisierte für die Besatzungsmacht Propaganda-Plakate und -Bücher, die antisowjetisch, antisemitisch, antikommunistisch und antiangloamerikanisch waren. Einige der Plakate wurden als Comics umgesetzt, wie Prica bez reci (Geschichte ohne Worte), Laz istoka (Die Lüge des Ostens) und Opomena (Mahnung). Auch seine Karikaturen für Bodljikavo prase gingen in diese Richtung.

Vom 1. Dezember 1943 bis zum 24. September 1944 erschienen 27 Ausgaben des Magazins Mali zabavnik. Kuznjecov zeichnete hierfür Comics nach Fabeln wie kraljevic Zaba (Froschkönig) und Abenteuercomics, wie Izmedju ljubavi I otadzbine (Zwischen Liebe und Vaterland) und Indija Se budi (Indien erwacht), aber auch Propagandacomics. In Prica O nesrecnom kralju (Die Geschichte eines traurigen Königs) spielten der alte jugoslawische König Alexander Karadjordjevic, sein Nachfolger König Peter II. sowie Winston Churchill, Tito und Stalin mit, wobei die aktuelle Geschichte ins Mittelalter verlegt wurde.

Neben den bekannten Zeichnern Slavko Janic, Dragan Savic, Vlada Savic und Velkjo Kockar fiel besonders der Exilrusse Vsevold Konstantinovic Guljevic durch seine Comics im realistischen Stil auf: Nibelunzi (Nibelungen), Mac sudbine (Schwert des Schicksals), Bregovi u plamenu (Berge in Flammen) und Grozni Dzek (Der schreckliche Jack).

Die letzte Nummer von Mali zabavnik bringt das Foto von König Peter II. auf dem Titelbild mit der Unterschrift „Unser gefangengenommener König“. Einen Monat später, im Oktober 1944, befreien Partisanen und die Rote Armee Belgrad. Es kommt zu Gerichtsverfahren gegen Kriegsverbrecher und Todesurteile durch das Militärgericht der Volksbefreiungsarmee Jugoslawien, auch gegen Comiczeichner. Den Kollaborateuren wurde vorgeworfen mit Pressearbeit, Radio, Vorstellungen, Karikaturen und anderen Mitteln die faschistische Tyrannei unterstützt und sich über militärische und moralische Bemühungen der freiheits-liebenden Völker lustig gemacht zu haben. Auf der Liste der Exekutierten befand sich als Nr. 37 der Zeichner Veljko Kockar, angeklagt als „Gestapoagent, verbreitete Lügen gegen die Volksbefreiungsbewegung“. Tatsächlich aber waren seine Comics und Karikaturen un-politisch gewesen.

Partisanen-Comics

Auch in der von Partisanen herausgegebenen Presse befanden sich Comics. Den Anfang machte 1942 die erste Ausgabe der jugoslawischen Kinderzeitschrift Pionir (Pionier) mit zwei Seiten eines anonymen Zeichners über die Rettung zweier Kinder aus einem Konzentrationslager der Ustascha (kroatische Faschisten, verbündet mit Hitler). Allerdings wiesen die Comics oft aufgrund fehlender technischer Möglichkeiten eine schlechte Druckqualität auf. Im Vordergrund standen eine belehrende Botschaft und eine moralisierende Unterhaltung, die das Partisanenleben priesen. Einige Geschichten basierten auf wahren Begebenheiten, wie  Radina prica (Geschichte Radas), Pionir iz Lezajica (Der Pionier von Lezajici) und Pioniri u Sovjetskom sevezu (Pioniere in der Sowjetunion). Zu den interessantesten Comics zählt Kapljice (Tröpfchen) eines unbekannten Künstlers. Die pädagogisch-didaktischen Geschichten mit den vermenschlichten Tropfen-Figuren erschienen von 1942 bis 1943.

Die langlebigste Serie handelte von dem Pionier-Paar Cira und Mira. Der bekannte Schriftsteller Branko Copic und der Karikaturisten Ivo Kusanic schufen ab Ende 1943 diesen Comic für das Magazin Mi mladi (Die junge Generation). Obwohl die Zeitschrift am Anfang einem Linoldruck ähnlich mit einem Schapyrograph vervielfältigt wurde, waren die Zeichnungen von hohem künstlerischem Niveau – kein Wunder, da Ivo Kusanic zuvor u.a. am Magazin Novi Vandrokas der Brüder Walter und Norbert Neugebauer mitgearbeitet hatte. Ende 1944 kam die Redaktion von Mi mladi in das befreite Belgrad und das Magazin wurde in Omladina (Jugend) umgetauft. Cira und Mira wurden Teil der Serie Udarna grupa Djoke Stormovika (Djoka Stormovniks Kampftruppe), die in Pioniri, dem „Magazin für Jugoslawiens Kinder“, lief. Die erste Ausgabe erschien am 16. November 1944. Hier kämpften die furchtlosen Pioniere gegen die faschistischen Eroberer, bis die sowjetischen Befreier kamen. Das Verschwinden von Cira und Mira aus den Magazinen Ende 1945 war ein Vorbote für den kommenden erneuten Angriff gegen Comics.

На Растку објављено: 2007-11-23
Датум последње измене: 2007-11-23 18:41:42
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